Kategorien
Japan Orte

Hiroshima – die herzliche Stadt, traurig und lebensbejahend bunt (30. April – 5. Mai)

Anreise in Hiroshima von Shikoku über Okayama mit dem Shinkansen, nach einem kurzen Stück mit der Regionalbahn Fahrt mit der Trambahn nach Kusatsu, das auf halber Strecke zwischen Hiroshima und Miyajima liegt. Große Skepsis bei Stefan bezüglich unseres neuen Airbnb-Zimmers mit Katze im Haus, fern der Innenstadt. Nach der Einladung unserer netten Gastgeberin Akiko, mit ihr und ihrem Mann Yohei und dem Sohn Hide in das neu eröffnete Shoppingcenter Lect zu fahren, und nach der Hinfahrt zu fünft, mit Hides Hand in Stefans Hand, konnte Stefan wieder lachen und sich freuen. Gemeinsames Tempuraessen, Rückfahrt. Schlafen.

Am nächsten Tag fuhren wir von Kusatsu nach Miyajima, der Insel mit den frei laufenden Rehen und dem bekannten Itsukushima-Schrein. Die Bootsfahrt auf die Insel war für uns umsonst, da auf der JR-Fähre unsere JR-Pässe galten. Zwischen Bootsanlegestelle und dem Schrein war viel Getümmel, doch später im Park hinter dem Schrein waren wir fast für uns allein – nur ab und zu hörten wir über einen Lautsprecher die Warnung vor Schlangen. Zuvor hatten wir im Café Lente bei schöner Musik gut gegessen und dabei den Torii bei Flut gesehen: bei Flut sind die Füße des Torii tief im Wasser, sodass er über dem Wasser zu schweben scheint – ein begehrtes Fotomotiv.

Auf einer kleinen Wanderung – nein, nicht hoch zum Mount Misen- gelangten wir zum Daishoin-Tempel, wo Stefan einen Stempel bekam und zwei Kokeshi-Püppchen kaufte. Auf dem Weg zurück zum Hafen wollten wir eine Orange essen, was jedoch durch das drängeln eines frechen Rehs verhindert wurde.

 

 

  

Nach der Rückfahrt nach Kusatsu suchten wir ein Restaurant und entdeckten „Second House“ mit einem Besitzer, der Fan der Carps (Hiroshimas Baseballclub) ist und uns „Okonomiyaki Hiroshima Style“ empfahl, also Okonomoyaki mit Ramen-Nudeln und einem Pfannkuchen, der – anders als beim „Osaka Style“ – von den Beilagen getrennt ist. Wir hatten eine freundliche Unterhaltung mit dem Restaurantbesitzer: ein paar Worte Englisch, ein paar Worte Japanisch, und dazu viel Lachen. Das Essen war lecker: oushii!

Am zweiten Tag fuhren wir in die Innenstadt von Hiroshima, tranken zuvor aber noch im Café an der Kusatsu Station einen Kaffee und unterhielten uns mit einer älteren Japanerin, die in den USA gelebt hatte und nun wieder in die Heimat zurückgekehrt war. Schließlich fuhren wir mit der Tram in die Innenstadt zur Station „Genbaku Dome“, „Atomic Bomb Dome“. Wir sahen das Gebäude, das beim Abwurf der Atombombe im August 1945 zerstört worden war – nur Mauerreste und das Skelett der früheren Kuppel sind davon noch zu sehen. Im Widerspruch dazu – und gerade deshalb tröstlich? – ist das Grün der Bäume.

Vom Dome aus gingen wir zum Denkmal für das an Leukämie gestorbene Mädchen Sadako, die versucht hatte, durch das Falten unzähliger Origami-Kraniche ihre Heilung und ihr Leben zu erkämpfen – wir beide kannten Sadakos Geschichte. Zum Gedenken an Sadako und die vielen anderen Kinder, die durch die Bombe starben, steht im Memorial Parc ein Denkmal mit einer Glocke, die man anschlagen kann, um dabei für Frieden zu beten.

Auch bei der Weltfriedensglocke im Park mit ihrem dumpfen Klang wird der Toten gedacht und für Weltfrieden gebetet. Im unterirdischen Peace Memorial sind die Namen der Verstorbenen mit Fotos von ihnen zu sehen und Filme über das Erleben das Atombombenabwurfs zu hören. Vom Memorial Parc aus gingen wir durch belebte Einkaufspassagen zur katholischen Weltfriedenskirche, die nach dem Krieg von dem Jesuiten und Zen-Buddhisten Hugo Lasalle initiiert worden war und seither von Kirchen und Religionsgemeinschaften aus aller Welt unterstützt wird: ein großes Gebäude mit hohem Turm und einem kleinen Garten – ein guter Platz zum Verschnaufen nach den bewegenden und erschütternden Bildern und Berichten des Atombombenabwurfs. Rückkehr nach Kusatsu und Abendessen im „Second House“.

Beim Frühstück unseres dritten Tages in Hiroshima – dem Feiertag zur japanischen Verfassung – vereinbarten Yohei und Stefan ein japanisch-deutsches Abendessen. Eigentlich wollten wir dann am Vormittag nochmal nach Miyajima, auf den Mount Misen. Doch an der Trambahnstation entschieden wir uns um, gingen weiter auf der Bergseite von Kusatsu, an einem Tempel und einem schattigen kleinen Friedhof vorbei, immer höher, ohne zu wissen, wo der Weg uns hinführen würde. Schließlich kamen wir zu einem großen, sonnenbeschienenen Friedhof, darüber ein großer Tempel mit einem (Bildungs-?) Zentrum. Es waren nur wenige Menschen unterwegs, wir genossen die Ruhe, den Spaziergang im Bambuswald und den Blick vom Tempel aus auf die so friedlich daliegende Stadt unter uns. Schließlich gingen wir zur Trambahn-Station und fuhren in die Innenstadt zum großen Flower Festival mit trubeliger Parade, bunten Menschenmengen und lauter Musik bei starkem Sonnenschein.

Beim Gang durch eine weniger überfüllte Seitenstraße landeten wir im Zentrum einer Grundschule. Wir wurden hereingewunken, setzten uns – und erlebten eine Theateraufführung mit jungen Schauspielern. Auch wenn wir wenig von der Geschichte verstanden, begriffen wir: Es ging um einen Kampf zwischen „Guten“ und „Bösen“ – die Guten siegten. Nach dem Schauspiel setzte Stefan sich an den Tisch, an dem man Kalligrafie-Unterweisung bekommen könnte. Stefan übte, seinen Namen auf japanisch zu schreiben, später auch die Zeichen für „mein Freund“ und „Friede“ bzw. „Liebe“. Schließlich fuhren wir erschöpft in die Wohnung zurück. Dort bereiteten Yohei und Stefan leckeres Essen vor mit Sushi, Okonomiyaki, gebratenem Gemüse und Kaiserschmarrn – Ausklang eines schönen Tages.

Am nächsten Tagen fuhr Akiko mit Hine und uns ein weites Stück in Richtung Westen, zur hölzernen Brücke und dem Samurai Castle von Iwakuni. Wieder bunte Menschenmengen und lange Schlangen vor dem Eisstand, vor der Seilbahn – und abends auch vor dem Restaurant, das Akiko uns zeigen wollte, Ziel früherer Fahrten mit ihren Eltern. Wir warteten fast zwei Stunden lang (!), bis wir einen Platz zugewiesen bekamen. Das Essen schließlich hat uns mit dem langen Warten versöhnt: oishii!

Tags darauf Koffer packen, Yohei fuhr uns zur Bahnstation Nishi-Hiroshima, von dort fuhren wir mit der Bahn zum Hauptbahnhof und dort weiter mit dem Shinkansen in Richtung Beppu.